Odo und Lupus 4 - Die Witwe by Robert Gordian

Odo und Lupus 4 - Die Witwe by Robert Gordian

Autor:Robert Gordian [Gordian, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-12-12T05:00:00+00:00


Also feierten wir, statt Gericht zu halten.

Natürlich hatte niemand vergessen, uns einzuladen. Den Tag der Hochzeit festzulegen, war dem Grafen in eben dem Augenblick eingefallen, als er von mir erfuhr, wann wir das gebotene Ding einberufen wollten. Große Hochzeitsfeste dauern in dieser Gegend drei Tage. Wir hatten die Absicht geäußert, nur noch eine Woche zu bleiben. Offensichtlich war, daß Rothari hoffte, im Festrausch würden wir es mit der Pflicht nicht mehr allzu genau nehmen und schließlich abreisen, ohne Gericht gehalten zu haben. Dies schien ihm wichtig zu sein trotz der Gleichgültigkeit, die er sonst an den Tag legte.

Tatsächlich gerieten wir in Verlegenheit. Die Versammlung noch vor der Hochzeit einzuberufen, war aus Rücksicht auf den Grafen und seine Gäste nicht möglich. Andererseits waren wir wenig geneigt, unseren Aufenthalt um eine weitere Woche zu verlängern. Was sollten wir tun? Da der Tannengrund nicht zu unserm Mandatsgebiet gehörte, war im strengen Sinne keine Pflicht zu verletzen. So gaben wir uns schließlich damit zufrieden, einiges Nützliche bewirkt zu haben. Wie so oft blieb freilich ein Unbehagen. Wo wir im Schlamm gestochert hatten, waren nur ein paar Blasen geplatzt. Außerstande waren wir, bis zu den Untiefen vorzustoßen, geschweige denn, Sümpfe trockenzulegen. Also wandten wir lieber höflich den Rücken. Vorher aber sollte gefeiert werden …

Es begann so erhebend und glanzvoll, wie es sich für eine Hochzeit am Sitz eines Grafen gehört. Alles war bestens vorbereitet. In den letzten Tagen hatte auf dem Salhof die Betriebsamkeit eines Ameisenhaufens geherrscht, auf den ein Stein gefallen ist. Boten schwirrten davon, um Gäste einzuladen. Bunte Zelte wurden errichtet, lange Tische und Bänke auf der Festwiese aufgestellt. Hirten trieben Schlachtvieh für das Hochzeitsmahl herbei. Obwohl die Zeit zur Anreise knapp war, strömten über zweihundert Gäste zusammen, darunter sogar ein Bischof. Dieser nahm in der Kapelle die Trauung vor. Während das Brautpaar unter dem ausgespannten Altartuch kniete, sangen die ehemaligen Mönche, nun Priester des Herrn, mit sehr schönen Stimmen. Darauf verließ das Paar die Kapelle und machte den Umgang unter den Gästen, die ihre Geschenke darboten. Allerlei Kurzweil schloß sich an. Mir gefiel besonders ein Brautlauf, der daran erinnern sollte, daß man sich hier in alter Zeit seine Eheliebste durch Raub beschaffte. Unter dem anfeuernden Geschrei der Gäste rannte die zarte Eddila mit wehendem Schleier durch das Tannenwäldchen, und Irmo, der ihr einen Vorsprung gewähren mußte, verfolgte sie über Stock und Stein, bis sie atemlos innehielt und sich erschöpft und glücklich von ihm einfangen ließ. Mit seinem breiten Siegerlächeln trug er sie durch ein jubelndes Spalier, unter einem Regen von Girlanden und Kränzen. Wahrhaftig, er war am Ziel seiner Wünsche!

Als wir uns dann an den langen Tischen zum Mahl niederließen, erhielt ich als Nachbarn einen Mann, der mir längst aufgefallen war und dessen Bekanntschaft ich daher nicht ohne Vergnügen machte. Es war ein Hüne mit einem grauen Bart, der ihm fast bis zum Knie reichte, mit einem breiten, verwitterten Kahlschädel und Augen, die Feuer sprühten. Sein Gewand, das bessere Tage gesehen hatte, war geflickt und recht unsauber, doch trug er Ringe und Armreife zum Zeichen seiner Adelswürde.



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